Zur Zukunft von SMS, WhatsApp & Co (2)

Zu den beliebtesten Funktionen von Mobiltelefonen gehören das Senden und Empfangen von Kurznachrichten. Wie sieht ihre Zukunft aus? (Teil 2)

Geschätzte Lesezeit für diesen Artikel: 4 Minuten

Wie in Teil 1 beschrieben, hat die SMS einen großen Vorteil: sie kann praktisch ohne Einschränkung zwischen zwei Mobiltelefonen auf der ganzen Welt verschickt werden. Sie hat jedoch auch den gravierenden Nachteil, dass mit ihr keine Bild-, Ton- oder Videonachrichten verschickt werden können. Dieses Problem wurde mit dem Durchbruch von Smartphones, wie wir sie heute kennen (das erste iPhone kam 2007 auf den Markt), zunehmend schmerzhaft: Je besser die Fotos wurden, die man mit Telefonen schießen konnte, umso größer wurde die Lust, diese gleich an Freunde und Familienmitglieder zu verschicken. Die MMS mit all ihren Kompatibilitätsproblemen und ihrem hohen Preis hat diese Lust nie befriedigen können.

Instant-Messaging-Programme für den Desktop gab es schon deutlich früher als Smartphones. Ich erinnere mich z. B. noch gut an ICQ – das erste Programm, das ich nutzte, um mit Freunden in der ganzen Welt zu “chatten”. ICQ erschien kurz vor der Jahrtausendwende und wurde schnell zum Weltmarktführer. Es existiert weiter, ist aber inzwischen praktisch bedeutungslos. Wenige Jahre nach der Erfindung von ICQ, 2003, erschien Skype. Es ermöglichte neben seiner Chat-Funktion zum ersten Mal kostenlose Internettelefonie rund um den Globus und verdrängte so ICQ in kurzer Zeit.

Den weltweiten Durchbruch auf Smartphones erlebten Chat-Anwendungen allerdings erst ab 2009 mit WhatsApp. Der lawinenartige Erfolg ausgerechnet dieser Anwendung ist überraschend, wenn man bedenkt, dass WhatsApp im Vergleich zur Konkurrenz damals nicht besonders innovativ war. Ohne Zweifel war aber die Koppelung des Nutzerkontos an die Mobilnummer ein sehr wichtiger Faktor für WhatsApp – man musste nicht das x-te Konto mit Namen und Passwort anlegen, sondern nur nach dem Download der App einen per SMS zugestellten Code eingeben, bzw. dieser wurde automatisch übernommen – fertig. Weiterhin sorgte der von Anfang an großzügige Zugriff auf die im Gerät gespeicherten Telefonnummern dafür, dass sich WhatsApp viral verbreiten konnte. 2012 nutzten schon 200 Millionen Menschen WhatsApp, heute sind es ca. 1,5 Milliarden. WhatsApp wurde so zu einem klassischen Beispiel für das in der digitalen Welt oft geltende “the winner takes it all”-Prinzip.

Ich möchte hier keine Diskussion über das Für und Wider von WhatsApp im Vergleich zu anderen Messengern führen. Wer Lust hat, z. B. in Bezug auf diverse Datenschutz-Skandale bei WhatsApp ein wenig mit den Ohren zu schlackern, kann diesen informativen Wikipedia-Artikel lesen (erfahre mehr). Gleichzeitig bedeutete die Einführung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung bei WhatsApp 2016 einen bedeutenden Fortschritt in Sachen Datenschutz (erfahre mehr) – der Dienst wurde so tatsächlich zeitweise vom Bock zum Gärtner.

Die wichtigsten Alternativen zu WhatsApp sind der Facebook Messenger sowie, mit erheblichem Abstand, aber auch mit wesentlich besseren Datenschutzrichtlinien, Signal, Telegram und Threema. Weiterhin gibt es zahlreiche weitere Apps, die für den hiesigen Markt unbedeutend sind, aber teilweise in bestimmten Weltregionen eine herausragende Stellung haben, z. B. WeChat in China. Sie alle unterscheiden sich im Geschäftsmodell, im Funktionsumfang,, im Datenschutz, in der Verbreitung etc.

Bei all den Unterschieden weisen sie jedoch zwei wichtige Gemeinsamkeiten auf: Alle Dienste erfordern die Installation der einen passenden App durch alle beteiligten Nutzer, und alle Nachrichten werden über zentrale Server der jeweiligen Anbieter übermittelt. Man spricht bei diesen Apps daher auch von so genannten “walled gardens”: Im jedem “Garten” kann nur dabei sein, wer die Regeln dieses einen Gartens akzeptiert. Über die “Mauern” der verschiedenen “Gärten” hinweg kann nicht kommuniziert werden. Was für ein Unterschied zur universellen Kompatibilität der SMS!

Wie geht es weiter? Wie immer sind Prognosen sehr schwer, vor allem wenn sie die Zukunft betreffen. Drei Trends zeichnen sich aber im Moment deutlich ab, so dass ich es trotzdem versuche:

  1. Autoritäre Staaten werden zunehmend gegen unerwünschte Messaging-Apps vorgehen, wie es z. B. China (Sperrung von WhatsApp seit 2017) und Iran (Verbot von Telegram seit 2018) schon jetzt tun. Aber auch westliche Staaten haben immer wieder versucht, Backdoor-Lösungen durchzudrücken und werden dies weiterhin tun.
  2. Messaging-Apps werden zunehmend als Werbeplattformen an Bedeutung gewinnen, z. B. ist noch im Jahr 2019 damit zu rechnen, dass in WhatsApp Werbeanzeigen erscheinen.
  3. Es werden zunehmend Bezahldienste in Messenger integriert, z. B. ist in China schon heute der Dienst WeChat Pay enorm verbreitet.

Diese Entwicklungen stehen in direktem Widerspruch zu einem freien Internet, in dem die Nutzer mit Hilfe von

  • quelloffener Software über
  • dezentrale Server und offene Protokolle
  • verschlüsselt und ggf. anonym miteinander kommunizieren können.

Von den oben genannten Apps schneidet Signal in Bezug auf diese Kriterien am besten ab. Allerdings laufen auch hier die Nachrichten über zentrale Server, so dass der Dienst theoretisch abgeschaltet werden kann und dies auch schon wurde, z. B. 2016 in Ägypten. Signal bietet zwar einen technischen Trick, mit dem sich solche Sperren umgehen lassen, das so genannte “Domain Fronting”. Das Beispiel zeigt aber die Anfälligkeit von zentral organisierten Diensten für Zensur.

Im nächsten Beitrag wird eine ganz neue Messaging-App vorgestellt. Sie legt nicht einen weiteren “walled garden” an, sondern setzt von Anfang an auf ein bereits existierendes offenes und dezentrales Netzwerk. Dazu in Kürze mehr.

→ Weiter zu Teil 3

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