In diesem Beitrag geht es darum, wie man beim wissenschaftlichen Schreiben mit einem einfachen Trick die Textstruktur deutlich verbessern kann.
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Bei der Betreuung schriftlicher Arbeiten sind mir in letzter Zeit häufig Mängel bei der Strukturierung aufgefallen. Diese erkennt man oft schon im Schriftbild auf den ersten Blick, z. B., wenn auf einer ganzen Seite kein einziger Absatz eingefügt ist. Solche Mängel betreffen nicht nur das Druckbild. Sie gehen fast immer einher mit Mängeln bei der Gedankenführung und beeinträchtigen somit auch den Inhalt. Wie schafft man es also, Texte gut zu strukturieren?
In einem gut strukturierten Text entspricht jede äußere, im Druckbild erkennbare Strukturebene einer gedanklichen Einheit – und umgekehrt. In wissenschaftlichen Texten unterscheidet man folgende Strukturebenen:
- Hauptabschnitte (1., 2., 3. etc.)
- Abschnitte (1.1., 1.2., 2.1., 2.2. etc.)
- Unterabschnitte (1.1.1., 1.1.2., 1.1.3. etc.) (meist nur in längeren Arbeiten ab 50 Seiten Umfang sinnvoll)
- Absätze (Faustregel: mindestens vier pro DIN A4-Seite mit Schriftgröße 12 in Times New Roman, 1,5-fachem Zeilenabstand, Seitenränder: links / oben / unten 3 cm, rechts 3,5 cm)
- Sätze (Faustregel: nicht länger als 20 Wörter)
Abschnitte werden üblicherweise mit einer Überschrift versehen. So entsteht eine Abfolge, die meist in einem Inhaltsverzeichnis übersichtlich dargestellt wird. Strukturelle Mängel fallen auf dieser Ebene schnell auf und sind daher seltener. Viele übersehen aber beim Schreiben eines Textes, dass auch der Fließtext selbst klar strukturiert sein sollte, und zwar innerhalb der Abschnitte in Absätze und innerhalb der Absätze in einzelne Sätze.
Wie lässt sich nun eine glasklare Textstruktur auch auf der Ebene der Absätze erzielen? Ein sehr nützlicher Trick besteht darin, einfach in der ersten Textfassung über jedem Absatz eine passende Zwischenüberschrift einzufügen. Wenn sich das als schwierig herausstellt, hat man vermutlich den Fehler gemacht, mehrere Teilaspekte des behandelten Themas in einen Absatz zu packen. Dann sollte dieser besser zu mehreren Absätzen erweitert werden.
Der Trick mit den Zwischenüberschriften ist nicht nur beim Schreiben der Rohfassung nützlich. Er kann auch bei der Planung und bei der Überarbeitung von Texten eingesetzt werden. Zu jedem Zeitpunkt der Textproduktion kann man sich auf diese Weise schnell einen Überblick darüber verschaffen, ob die Absätze in einer sinnvollen Abfolge stehen und sich eine klare Gedankenführung ergibt. Bei der Endredaktion, also vor der Abgabe oder Veröffentlichung eines Textes, werden die Zwischenüberschriften über den Absätzen dann einfach gelöscht. (Hier ist eine Rohfassung dieses Blog-Textes mit Zwischenüberschriften als PDF-Datei zu finden.)
Manche Lehrbücher – z. B. die von Andreas Grünewald und Lutz Küster herausgegebene Fachdidaktik Spanisch (Klett 2017), zu der ich selbst einige Kapitel beigetragen habe – arbeiten mit so genannten „Randglossen“. Für eine Randglosse wird der Inhalt eines Absatzes am Rand komprimiert zusammengefasst (hier ein Beispiel aus dem genannten Buch). Die Grundidee ist die gleiche wie bei den oben beschriebenen Zwischenüberschriften: Für bestimmte Zwecke kann es sinnvoll sein, den Inhalt der 4–5 Absätze einer Seite noch einmal komprimiert darzustellen.
Genau wie die Absätze müssen auch die Sätze eines Textes in einer sinnvollen Reihenfolge stehen. Dabei gilt die Faustregel: ein Gedanke – ein Satz. Zudem sollte man auf der Satzebene ein paar weitere einfache Regeln beachten, u. a.:
- Schreibe Hauptinformationen in Hauptsätze, nicht in Nebensätze.
- Schreibe kurze Sätze anstelle von Bandwurmsätzen (Faustregel: nicht mehr als 20 Wörter pro Satz).
- Verwende möglichst deutsche Wörter anstelle von Fremdwörtern („In meiner Hausarbeit möchte ich folgende Frage
explorierenuntersuchen…“).
Ein paar anschauliche Beispiele für missglückte Formulierungen und deren Korrektur findet man z. B. hier.
Nicht zu vergessen ist noch ein weiterer Aspekt: Wenn wir einen neuen Satz oder einen neuen Absatz beginnen, befinden wir uns nicht nur im Druckbild, sondern auch gedanklich an einer Scharnierstelle. Daher sollten hier in aller Regel so genannte Konnektoren stehen. Diese sorgen im Idealfall für mühelos nachvollziehbare Übergänge zwischen den einzelnen Gedanken. Der Text wird so von einer Ansammlung einzelner Gedanken zu einem ‚echten‘ Text – einem Gewebe (lat. textus). Beispiellisten für Konnektoren sind im Internet leicht zu finden.
Die hier beschriebene Idee, Absätze mit Zwischenüberschriften oder Randglossen zu versehen, verhilft nicht nur zu größerer gedanklicher Klarheit bei eigenen Texten. Vielmehr lassen sich so auch fremde Texte auf ihre Struktur und ihren Argumentationsgang hin überprüfen. Und schließlich ist zu bedenken, dass das Schreiben und das Lesen von Texten eng miteinander vernetzte kognitive Prozesse sind. Es ist daher weder möglich noch sinnvoll, sie sauber voneinander zu trennen, und zwar aus mindestens drei Gründen: Erstens, weil man viele gute Texte gelesen haben muss, um selbst gute Texte zu schreiben. Zweitens, weil man selbst immer der erste Leser eigener Texte ist.
Und drittens, weil man deren kritischster Leser sein sollte.
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So schreibt man einen gut strukturierten Text by Jochen Plikat is licensed under a CC BY-NC-ND 4.0 license
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