Geld? Beruflicher Erfolg? Familie? Freundschaften? Welcher Weg zum Glück führt, ist eine uralte und bis heute umstrittene Frage. Mit Hilfe einer Self-Tracking-App hat ein Forscher eine überraschende Antwort gefunden.
Der Psychologe Matt Killingsworth hat für ein Forschungsprojekt zum individuellen Glück eine App entwickelt, die es den Nutzern erlaubt zu dokumentieren, wie glücklich sie sich bei verschiedenen Tätigkeiten fühlen. Die App gibt hierfür in unregelmäßigen Abständen zu verschiedenen Tageszeiten ein Signal. Der Nutzer gibt dann jeweils kurz ein, was er gerade tut (zur Arbeit pendeln, arbeiten, essen, Sport treiben, fernsehen, usw.), und bewertet anschließend, wie glücklich er sich dabei fühlt. So weit, so gut. Wer das möchte, kann nun auch diesen Bereich digital erfassen.
Interessant wird die Sache jedoch dadurch, dass noch eine weitere Frage gestellt wird. Sie lautet, ob die Gedanken des Nutzers gerade umherschweifen oder nicht. Bei dieser Frage stehen insgesamt 4 Antworten zur Auswahl:
- nein
- ja, unangenehme Gedanken
- ja, angenehme Gedanken
- ja, neutrale Gedanken
Mit der App lässt sich also feststellen, wie oft man den Fokus verliert und in welche Richtung die Gedanken jeweils abschweifen. Aus diesen Beobachtungen lässt sich möglicherweise individuell ein Zusammenhang zwischen dem mentalen Zustand in verschiedenen Situationen und dem dabei empfundenen Glück herstellen.
Die Ergebnisse fallen sicher für jeden Nutzer unterschiedlich aus. Spannend wird es aber, wenn man sie zusammenführt. Genau dies hat Matt Killingsworth für seine Studie getan. Hierfür hat er über 650.000 Datensätze von über 15.000 Probanden verschiedener Altersgruppen aus über 80 verschiedenen Ländern ausgewertet — eine ziemlich beeindruckende Datengrundlage.
Die aus meiner Sicht wichtigsten Ergebnisse seiner Analyse lauten:
- Es scheint einen ursächlichen Zusammenhang zwischen fokussierter Aktivität und individuellem Glücksempfinden zu geben.
- Auch bei subjektiv als unangenehm empfundenen Tätigkeiten steigt das Glücksempfinden, wenn man sich auf sie fokussiert.
- Unsere Gedanken sind in fast 50 % der Zeit nicht auf den aktuellen Moment fokussiert, sondern schweifen in die Vergangenheit oder Zukunft.
Hier ist ein kurzer Vortrag von Killingsworth zu finden, in dem er seine Studie vorstellt (in Englisch, u.a. deutsche Untertitel verfügbar). Übrigens decken sich sowohl die Grundidee für die Datenerhebung als auch die Ergebnisse mit den seit vielen Jahren laufenden Studien zum Flow-Erleben (zusammengefasst bei Mihály Csíkszentmihályi, siehe Literaturhinweise).
Ein Grundproblem der empirischen, mit Befragungen arbeitenden Bewusstseinsforschung ist jedoch auch hier zu beachten. Inwiefern beeinflusst die Beobachtung eines Phänomens (in diesem Fall: mentaler Fokus) das Phänomen selbst? Inwiefern werden also Probanden bereits dadurch fokussierter, dass sie ihre Aufmerksamkeit auf das Phänomen Fokus richten? Und inwieweit verfügen Menschen, die sich eine App herunterladen, um ihren gedanklichen Fokus zu dokumentieren, ohnehin über ein gesteigertes Problembewusstsein in diesem Bereich? Inwiefern stellen sie daher eine repräsentative Auswahl dar, ganz unabhängig davon, wie groß die Stichprobe ist?
Auf Grundlage dieser Überlegungen (und auf Grundlage von Selbstbeobachtung, ganz ohne App) schätze ich den Anteil der Zeit, in der unsere Gedanken abschweifen, sogar auf deutlich über 50%.
Wie oft schweifen Deine Gedanken ab, wie oft bis Du auf den Moment fokussiert? Hinterlass einen Kommentar!
Bildnachweis: happiness by Dawn Ashley on flickr.com (creative commons-Lizenz, bestimmte Rechte vorbehalten: CC BY-ND 2.0)
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