Das Odysseus-Prinzip

von Jochen Plikat

Wissensarbeit scheint dann besonders gut zu funktionieren, wenn man sich zuverlässig in den so genannten Flow-Zustand bringen kann: Phasen der Versenkung in eine Tätigkeit, in denen jede Ablenkung ausgeblendet wird und die Stunden in kreativem Schaffen unbemerkt verrinnen. Schriftsteller, so könnte man meinen, sollten diesen Zustand besonders leicht erreichen. Der Drang, das literarische Werk zu Papier zu bringen, ist doch sicher so groß, dass sie sich morgens mit Elan an ihr Werk setzen, den ganzen Tag über der Inspiration freien Lauf lassen und erst wieder von ihrem Manuskript aufschauen, wenn der Mond hoch am Himmel steht.

Eine schöne Geschichte, die aber mit der Wirklichkeit wenig zu tun hat. Gerade unter Schriftstellern Weiterlesen

Keine Mail vor halb eins

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von Jochen Plikat

Nehmen wir an, jemand schaut Dir einen Tag lang bei der Arbeit über die Schulter. Von dem Moment an, in dem Du Dich an Deinen Schreibtisch setzt (oder stellst) bis zu dem Moment, in dem Du innerlich den Feierabend ausrufst.

Was wäre die erste Tätigkeit, die er oder sie zu sehen bekäme?

  • a) Du öffnest Dein Mailprogramm.
  • b) Du widmest Dich sofort Deinem wichtigsten laufenden Projekt und arbeitest 3 Stunden lang daran.

Ganz ehrlich: Ich war lange ein lupenreiner Vertreter von Kategorie a). Mit der erfreulichen Folge, dass viele kleine Aufgaben gleich morgens von mir erledigt wurden. Mit der ebenfalls erfreulichen Folge, dass alle, die mir eine Mail schickten, zügig eine Antwort bekamen. Aber auch mit der unerfreulichen Folge, dass die potentiell ergiebigsten ersten ein bis zwei Stunden meiner Arbeitstage Weiterlesen

Von der Quälerei zum Flow: 5 Ideen für einen besseren Umgang mit komplexen Aufgaben

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von Jochen Plikat

Ich fühle mich wie ein Moskito am FKK-Strand. Ich weiß, was zu tun ist. Ich weiß nur nicht, wo ich anfangen soll. (Pat Riley)

Die meisten kennen das Gefühl, das hier so schön auf den Punkt gebracht wird. Formuliert hat den Satz meinen unseriösen Quellen zufolge der amerikanische Basketball-Coach Pat Riley. Womit sollte man bei einer großen und komplexen Aufgabe anfangen? Und wie sieht die Abfolge der einzelnen Arbeitsschritte aus?

Bei der Arbeit dürfte manchen jedoch das Problem eher fremd sein. Am Fließband, an der Kasse oder hinter dem Tresen stellt sich die Frage vermutlich selten: Weiterlesen

Kanalschwimmer gesucht: Die Psychologie der optimalen Erfahrung

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Wie kommt es eigentlich, dass Menschen nach körperlich oder geistig anstrengenden Tätigkeiten „süchtig“ werden?

Hier nur wenige Beispiele aus einer beliebig verlängerbaren Liste: auf hohe Berge steigen; Schach spielen; lange Strecken laufen; Bücher schreiben; Herzen transplantieren; Computeranwendungen programmieren; Flaschenschiffe bauen; Algebra-Aufgaben lösen (ja, auch das lieben manche…); fremde Sprachen sprechen; usw.

Folgt man der Erklärung des ungarisch-amerikanischen Psychologen Mihály Csíkszentmihályi (die Aussprache kann ich mir inzwischen halbwegs merken, bei der Schreibung muss ich immer wieder nachschlagen), kommt das teils leidenschaftliche Interesse an solchen körperlich oder geistig anstrengenden Tätigkeiten daher, dass Weiterlesen

7 Tipps für mehr Einfälle und weniger Vorfälle

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Für Denker von Sokrates bis Nietzsche war klar: nur im Gehen kommen gute Gedanken zustande. Letzterer, ein passionierter Wanderer, empfiehlt in Ecce Homo: „Trau keinem Gedanken, der im Sitzen kommt!“

Genau dies tun jedoch Denker Wissensarbeiter wie wir tagaus, tagein. Verbringen den größten Teil unserer Arbeitszeit an einem Rechner, und das heißt eben auch: im Sitzen. Manchmal frage ich mich, ob das wirklich der Höhe- und Endpunkt der Entwicklung des Menschen sein kann: Weiterlesen

Zähme den betrunkenen Affen

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Oft versuchen wir uns auf eine Sache zu konzentrieren und merken nach einer Weile, wie schwierig eben dies sein kann: sich auf eine Sache zu konzentrieren. Tausend Dinge fallen uns genau dann ein: die Konzertkarten, die wir noch bestellen, der Rückruf, den wir noch erledigen, das Geburtstagsgeschenk, das wir noch besorgen wollten. Die tausend kleinen Aufgaben des Alltags also, die wie eine Horde kleiner Kinder im 30-Sekunden-Takt an unserem Ärmel zupfen und um unsere Aufmerksamkeit kämpfen. Eine Horde, die ständig wächst durch die vielen Benachrichtigungen, die alle paar Minuten auf verschiedenen Bildschirmen klingeln, biepen, blinken und hüpfen. Und dabei hatten wir uns doch fest vorgenommen, uns auf nur eine Sache zu konzentrieren…

Handelt es sich dabei vielleicht um eine Fähigkeit, die uns im Zeitalter der permanenten Vernetzung schlicht abhanden gekommen ist? Und von der alle digital natives noch nicht einmal wissen, dass es sie gibt – jene armen Kreaturen also, die nach 1980 geboren wurden?

Liebe Kulturpessimisten, ich habe schlechte Nachrichten: Weiterlesen

Die Eisenhower-Matrix: Finde Deinen Qualitäts-Quadranten

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Ist es Dir schon einmal passiert, dass Du Dich am Ende eines Arbeitstages gewundert hast, wie all die Stunden am Schreibtisch mit der Beantwortung von E-Mails, dem Führen von Telefonaten, der Reparatur des (schon wieder!) streikenden Druckers und der Planung der Abschiedsfeier für den netten Kollegen draufgehen konnten? Und Du merktest, dass Du die Datei zu dem eigentlich wichtigen und interessanten Projekt noch nicht einmal geöffnet hattest?

Die Versuchung, lauter kleine, vergleichsweise leichte Aufgaben zu erledigen und dafür die Arbeit an dem großen, vergleichsweise mühsamen Projekt aufzuschieben, ist groß. Das liegt daran, dass wir die Anstrengung komplexer Aufgaben tendenziell meiden. Dabei können wir uns bestens selbst vormachen, dass wir doch eine Menge erledigt haben, denn Weiterlesen

You have one new message

Sjoerd Lammers street photography

Ich finde es faszinierend zu überlegen, wie viele verschiedene Gegenstände wir früher hätten herumtragen müssen, um nur die Grundfunktionen eines einfachen Smartphones zur Verfügung zu haben. Wir haben heute in der Hosen- oder Handtasche ein Gerät bei uns, das nicht nur ein Telefon ist, sondern sich auch jederzeit in einen Wecker, eine Schreibmaschine, einen Taschenrechner, ein Diktiergerät, eine Fotokamera, eine Videokamera (ja, Kinder, das waren einmal zwei verschiedene Dinge), ein Radio, eine Nachrichtenzentrale, eine kleine Bibliothek, einen Zeitungskiosk und einen Schachcomputer verwandeln kann – und vieles, vieles mehr.

Die Tendenz ist eindeutig: immer mehr Funktionen werden in ein Gerät gepackt. Fürs Protokoll: Ich finde das großartig. Wenn ich aus dem Haus gehe, muss ich heute genau drei Dinge einstecken, um für das Leben da draußen ziemlich gut gerüstet zu sein: Geld, Schlüssel und Smartphone. Mit dem Geld und den Schlüsseln mache ich noch das Gleiche wie vor 25 Jahren. Mit dem Smartphone mache ich den ganzen Rest.

Wenn ein Gerät immer mehr Funktionen übernimmt, heißt das zwangsläufig, dass

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