Warum wir alle noch heute LibreOffice installieren sollten

Microsoft Office ist weiterhin die alles dominierende Bürosoftware. Leider ist sie nicht nur teuer und virenanfällig. Sie führt für manche Nutzer auch zu erheblichen Problemen bei der Zusammenarbeit.

Geschätzte Lesezeit für diesen Artikel: 6 Minuten

Was haben Tesafilm, Maggi und ein Fön gemeinsam? Es handelt sich in allen drei Fällen um Markennamen, die für eine ganze Produktklasse verwendet werden, in diesem Fall: Klebeband, Flüssigwürze und Haartrockner.

Wenn ein Markenname in den allgemeinen Sprachgebrauch übernommen wird, nennen Sprachwissenschaftler das Ergebnis ein “Deonym”. Auch eine “Powerpoint” fällt in diese Kategorie. Das muss uns nicht interessieren. Was uns aber sehr wohl interessieren sollte: Immer wenn wir einem Deonym begegnen haben wir es möglicherweise mit einem Monopol zu tun.

Monopole von historischer Dimension sind in der digitalen Welt bekanntlich innerhalb weniger Jahre entstanden. Hier greift das Winner-takes-it-all-Prinzip besonders stark (erfahre mehr). Denken wir z. B. an Google, WhatsApp und Photoshop – in allen drei Fällen nutzen wir inzwischen mit großer Selbstverständlichkeit die Namen der Firmen und Dienstleistungen sogar als Verben. Wir googeln, whatsappen und photoshoppen – als gäbe es dazu keine Alternativen.

Meiner Meinung nach sollte jeder die Freiheit haben, sich für das Angebot eines Monopolisten zu entscheiden und unter Umständen Geld dafür zu bezahlen, auch wenn ein vergleichbares oder besseres Open-Source-Produkt erhältlich ist. Die Sache wird allerdings problematisch, wenn es sich um Software handelt, die im Kern kooperativ ist. Unsere Entscheidung betrifft dann nicht nur uns selbst, sondern auch unsere Kontakte. Diese verlieren dann möglicherweise schnell die Freiheit, das für sie beste (oder kostengünstigste) Programm auszusuchen. Sie sind in der Praxis gezwungen, sich nach uns (und nach der Mehrheit) zu richten – andernfalls werden sie schnell als anstrengende Sonderlinge wahrgenommen.

Schauen wir uns die genannten Beispiele an: Wie leicht kann man hier auf ein anderes, möglicherweise besseres Angebot umsteigen?

  • Bei den Diensten des größten Platzhirschen, Google, dürfte der Wechsel am leichtesten sein – zumindest was seine Suchmaschine angeht. Hier steht es jedem von uns frei, sofort auch alternative Angebote in Anspruch nehmen, wie z. B. Startpage oder DuckDuckGo.
  • Bei Photoshop von Adobe ist die Situation ähnlich. Viele Nutzer können jederzeit wechseln, denn es gibt zahlreiche ebenfalls interessante andere Angebote. Gängige Formate wie *.jpg werden auch von diesen Bildbearbeitungsprogrammen unterstützt (erfahre mehr).
  • Bei WhatsApp sieht die Sache schon ganz anders aus. Niemand verwendet WhatsApp für sich allein. Der einzige Zweck der Anwendung besteht darin, sich mit anderen auszutauschen. Da es sich um eine geschlossene Plattform handelt, kann man aber nur unter einer Bedingung dabei sein: Wenn man bereit ist, selbst WhatsApp zu installieren. (Ja, ich weiß, niemand wird gezwungen, WhatsApp zu nutzen. In der Praxis läuft es aber fast genau darauf hinaus.) Zwar gibt es auch offene Chat-Formate wie XMPP. Sie sind prinzipiell nutzbar, aber in der Praxis bedeutungslos. Schon vergessen? The winner takes it all.

Eine  schon sehr alte und ganz besondere Monopolstellung hat die Bürosoftware Microsoft Office mit den Kern-Anwendungen Word, Excel, PowerPoint und Outlook. Als einzelner Nutzer kann man diesem Monopol sehr leicht ausweichen: Praktisch alle Aufgaben aus dem Standardrepertoire (Textverarbeitung, Tabellenkalkulation und Präsentation) lassen sich ebenso gut mit der kostenlosen Alternative LibreOffice erledigen. Und Outlook lässt sich leicht durch Thunderbird ersetzen – zumindest außerhalb von Firmen.

Die Situation in Bezug auf MS Office ändert sich aber grundlegend, sobald man gemeinsam mit Anderen an einem Dokument arbeitet, z. B. einem Textdokument. Als Mitherausgeber eines Verbandsjahrbuchs und als Autor für verschiedene Verlage kann ich genau davon inzwischen nicht nur ein Lied, sondern eine ganze Kantate singen. Egal ob es um den Austausch mit anderen Autoren oder um die Abgabe bei einem Verlag geht: Früher oder später schlägt die Stunde der Wahrheit und man muss sauber formatierte Dokumente im Word-Format (Format *.doc oder *.docx) liefern.

Zugegeben, man kann Word-Dokumente inzwischen auch mit anderen Programmen bearbeiten, allen voran mit LibreOffice. Das klappt in der Regel auch recht gut. “In der Regel” und “recht gut” genügen aber nicht, wenn ein Dokument mehrfach zwischen, sagen wir, Autor und Herausgeber hin- und her geschickt wird. Dann müssen in jedem Überarbeitungsschritt (drei bis vier sind ganz normal) im “Änderungen-Nachverfolgen”-Modus neue Korrekturen und Kommentare eingearbeitet werden. Falls dabei etwas schief geht, riskiert man den Verlust vieler Arbeitsstunden.

Um es kurz zu machen: Wer sich nicht in Schwierigkeiten bringen möchte, sollte es tunlichst vermeiden, ein Word-Dokument mit einem anderen Programm als Microsoft Word zu bearbeiten (ich spreche aus Erfahrung).

Diese Allgegenwart von Word-Dokumenten ist aus mehreren Gründen zu überdenken:

  1. Alle gängigen Funktionen für die Textverarbeitung werden auch von LibreOffice (bzw. dem Vorgänger OpenOffice) unterstützt. Millionen von Nutzern könnten noch heute umsteigen.
  2. Die Nutzung von Microsoft Office wird eine zunehmend kostspielige Angelegenheit. Aktuell fallen einmalig 149 € an (bzw. 69 € pro Jahr (!) im Abo). Es gibt günstigere Preisen für Studenten, von denen wir uns aber nicht blenden lassen sollten. Sie haben den ausschließlichen Zweck, neue Nutzer an Microsoft Office zu gewöhnen und so die Monopolstellung der Software langfristig zu zementieren.
  3. Word-Dokumente sind in letzter Zeit bei der Verbreitung von Schadsoftware, v. a. von so genannten Verschlüsselungs-Trojanern negativ aufgefallen (erfahre mehr). Hier gilt: Der Gewinner kriegt nicht nur alles, er kriegt auch (fast) alles ab – z. B. Hackerangriffe.
  4. Microsoft Office läuft auf Windows-, Mac- und Android-Geräten – nicht aber unter Linux (z. B. Ubuntu). Umgekehrt steht LibreOffice für Linux, Windows und Mac zur Verfügung. Somit ist die Zusammenarbeit über alle wichtigen Plattformen für Desktop-Rechner oder Laptops hinweg unproblematisch.

Neben den oben geschilderten grundsätzlichen Überlegungen betrifft mich als einer von Millionen Nutzern eines Linux-Desktops der vierte Punkt ganz besonders. In der Praxis bedeutet er für mich, dass ich in meinem Alltag inzwischen alles, wirklich alles mit meinem Linux-Rechner erledigen kann. Mit einer gewaltigen Ausnahme: Um kollaborativ an Word-Dokumenten zu arbeiten, bleibe ich auf Microsoft Office angewiesen. Und das bedeutet, dass ich nicht endgültig auf Linux umsteigen kann, sondern immer auch einen Windows-Rechner oder einen Mac mit installiertem Microsoft Office brauche.

Ich empfehle übrigens keinem Windows- oder Mac-Nutzer, der bereits über eine funktionierende Microsoft Office-Installation verfügt, diese Software über Bord zu werfen. Im Gegenteil, ich würde mir Microsoft Office für Linux sogar selbst kaufen, wenn es denn verfügbar wäre. Im Gegenzug wäre allerdings schon viel gewonnen, wenn jeder auf seinem Rechner als zweite Büro-Software LibreOffice installieren und möglichst häufig nutzen würde. Das Standard-Dateiformat für Textdokumente heißt hier nicht *.doc oder *.docx, sondern *.odt (OpenDocument-Text).

Probier es aus – der Umstieg ist gerade in der Textverarbeitung (LibreOffice Writer) sehr einfach. Aber auch Tabellen (LibreOffice Calc, Format *.ods) und Präsentationen (LibreOffice Impress, Format *.odp) lassen sich mit LibreOffice genauso leicht erstellen und bearbeiten wie mit Microsoft Office. So könntest auch Du schon heute ein klein wenig an Microsofts Übermacht sägen.

Hier nochmal der Link zur Homepage von LibreOffice: https://www.libreoffice.org/

Was hältst Du von der Idee, für Textdokumente, Tabellen und Präsentationen freie Software und freie Formate zu verwenden? Hinterlass einen Kommentar!

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Warum wir alle noch heute LibreOffice installieren sollten by Jochen Plikat is licensed under CC BY-NC-ND 4.0
Bildnachweis: Women Teamwork by Unsplash is licensed under CC0 Public Domain

0 Gedanken zu “Warum wir alle noch heute LibreOffice installieren sollten

  1. Für mich als Unternehmensberater ist die Situation kein Deut besser, eher noch schlimmer! Die Tabellenkalkulation von Libreoffice stufe ich fast noch höher ein als die Textverarbeitung, obwohl gerade auch dort die bessere Formatvorlagen-Lösung für Libreoffice spricht.

    Häufig wird gerade auf Excel aufbauend in Unternehmen Visual Basic – Lösungen entwickelt, die den Umstieg auf Libreoffice völlig undenkbar machen.

    Völlig unverständlich wird die Situation, wenn man bedenkt, dass beide Programme XML-Formate schreiben, also einen internationalen Standard umsetzen. Was wohl die wenigsten wissen werden, ist, dass OpenOffice lange vor Word ihre Realisierung des XML-Formats beim internationalen Gremium eingereicht hat. Trotzdem hat es Microsoft geschafft, danach ein weitgehend proprietäres Format auf den Markt zu werfen. Für den Anwender wäre es natürlich ein riesen Vorteil gewesen, wenn Microsoft auf OpenDocument aufgesetzt hätte – woher wohl der Name kommt?
    😉

    1. Hallo, Danke für die beiden Hinweise. Ja, kenne ich. Mit Wine habe ich experimentiert, aber leider war die Installation von Wine aus ausgesprochen nerviges Gepfriemel, und dann – wenn Wine lief – war es am Ende doch Glückssache, Office zum Laufen zu kriegen. Und da Wine nur ältere Versionen von Office unterstützt, hatte man ein weiteres Problem, denn eine passende Version aufzutreiben war ebenfalls kompliziert. CrossOver habe ich nicht ausprobiert, weil ich die Preise zu hoch finde und befürchte, dass es am Ende doch nicht richtig funktioniert (schließlich basiert es auf Wine). Aber, ja, vielleicht ist das für manche Linux-Nutzer eine Alternative.

      1. Nun, CO gibt’s schon eine ganze Weile und sie scheinen ganz gut davon leben zu können.
        Ich nehme an, das sie eben stellvertretend „ausgesprochen nerviges Gepfriemel“ veranstaltet haben, um zu einer stabilen Basis für MO zu kommen (und bei diesem beweglichen Ziel weiter dran pfriemeln müssen).

        Die Arbeitszeit möchten sie auch entlohnt haben, und wenn’s funzt, find ich minimal 38 Öcken in Ordnung.

        Gugel doch mal nach Erfahrungsberichten mit MO unter CO.

        1. Ja, das empfehle ich gerne allen, die MO unter Linux noch eine Chance geben wollen. Vom Experimentieren mit Wine kann ich aber definitiv abraten. – Hoffen wir, dass irgendwann in einer perfekten Zukunft doch noch MO für Linux erscheint. Schließlich war es ja auch mal schwer vorstellbar, dass es eine Mac-Version geben könnte. Bis dahin bleibe ich beim Mac als primäres Arbeitsgerät.

  2. Ein wirklich sehr schöner und gelungener Beitrag. Richtig schön und angenehm zu lesen. Toller Einstieg mit den Markennamen und Monopolen. Ich habe LibreOffice auf beiden meinen Windows-PCs installiert (in Zukunft plane ich mir einen Mac anzulegen) neben Microsoft Office und werde es mit Sicherheit öfter nutzen als Microsoft’s Programm. Besonders gelungen gefällt mir bei der neuesten Version die schönen überarbeiteten Symbole und das Standardformat .odf (OpenDocument-Format), welches sich leider kaum wegen .doc bzw. .docx als Standard durchsetzen kann. Es ist Zeit das Monopol von Microsoft zu reduzieren – und diese Aufgaben haben wir alle Nutzer, die auch nur ein bisschen Interesse an einem offeneren, privateren, gerechteren, sozialeren und sichereren Internet und haben.

    1. Danke, das freut mich zu hören! Ich habe für mich die Lösung gefunden, weiterhin standardmäßig LibreOffice zu verwenden, und nur wenn ich wirklich muss MS Word. Das sind in meinem Fall in erster Linie Dokumente, die unter Kollegen herumgeschickt und bearbeitet werden. Ich hoffe natürlich, dass sich .odt irgendwann in Schulen, Unis, Behörden etc. durchsetzen wird, aber da bin ich, nun ja, nur sehr verhalten optimistisch.
      Übrigens bin ich inzwischen mürbe geworden und nutze nicht mehr Linux, sondern das Apple-Betriebssystem: https://jochen-plikat.com/2017/12/27/ms-office-verhindert-linux-desktops/ Der häufige Wechsel zwischen verschiedenen Rechnern wurde mir einfach zu nervig.

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